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Mystic Falls. Wie konnte ich mich nur dazu überreden lassen mit Raina hierher zu fahren? Wir hätten einfach in New Orleans bleiben sollen, ich hätte in ihrer großen Villa bleiben können, in der ich sicher gewesen wäre. Nun? Nun hatte Kol Mikaelson mich gesehen und eines war sicher: Er würde seinem Bruder von unserer Begegnung erzählen, ihm sagen, dass ich mich in Falls aufhalte und dass Raina eine Freundin ist. Raina. Ich hatte sie in Gefahr gebracht. Wegen mir, war sie nun in Gefahr! Nein, das konnte ich nicht zulassen, wirklich nicht. Auch wenn ich immer allen zeigte, wie egal sie mir sind, dass mir nur mein Leben etwas bedeutet, dass es mir egal ist, wer stirbt, wer zugrunde geht, solange ich es nicht bin, so war es bei der jungen Blondine anders. Das Menschsein, SIE hatte mich wohl wirklich verändert, aber ja, sie bedeutete mir etwas und ich konnte es nicht verantworten, dass Niklaus meiner besten Freundin, meiner Schwester etwas antut. Sie war der einzige Mensch, die einzige Person, die zu mir gehalten hatte, die mich bei sich aufnahm, mir eine zweite Chance gegeben hatte... Nun war ich endlich einmal an der Reihe etwas für sie zu tun, selbst wenn ich mich Kol ausliefern müsste, damit dieser mich zu Klaus bringt...

Niemand würde mir soetwas zutrauen, ich selbst war verwundert über all das, aber ich hatte mich wohl wirklich mehr verändert, als ich es gedacht hatte, als ich es für möglich gehalten habe. Das Gespräch mit meiner Schwester ging mir noch immer nicht durch den Kopf, weswegen ich einfach immer weiter die Straßen von Mystic Falls entlang ging, immer weiter und weiter. Schwer schluckend blieb ich einen Moment stehen und atmete tief ein und aus: "Sie ist nicht mehr deine Schwester, Katherine. Sie ist damals gestorben und jetzt brauchst du sie auch nicht mehr.", murmelte ich vor mir hin um mir all das einzureden und es schien zu funktionieren. Ich musste sie einfach aus meinen Gedanken verbannen! Und sie war im Moment doch eigentlich völlig unwichtig, nicht? DIe Person, die nun wirklich zählte war meine 'neue Schwester', war Raina, da ich mir irgendetwas einfallen lassen musste um sie zu schützen.
Inzwischen war ich schon völlig abseits der Straßen und fand mich vor einer kleinen Kirche wieder, vor der ich einen kurzen Moment stehen blieb. Regungslos starrte ich auf das Haus Gottes, ehe mir ein kalter Schauer über den Rücken lief und ich mich schließlich vorsichtig der Kirche näherte und diese betrat, wobei ich mich auf eine Bank setzte, die Hände faltete und... betete. Für Raina.

Damon und Stefan, die Salvatore Brüder, die ich 1864 in Vampire verwandelt hatte, hatte ich seit dem Tag meiner Menschwerdung nicht mehr gesehen, nicht mehr gesprochen, nicht über sie nachgedacht - obwohl, das letztere entsprach nicht wirklich der Wahrheit, denn eigentlich hatte ich viel an einen der beiden gedacht, hatte viel an den Schwarzhaarigen, den älteren Salvatore gedacht, was doch völlig absurd ist. 1864 schien alles einfacher zu sein, alles besser zu sein - bis man schließlich von unserer Anwesenheit erfahren hatte und alles zunichte gemacht wurde, aber die Zeit mit beiden Salvatores war eine wunderschöne Zeit. Ihnen gegenüber war es natürlich unfair. Es war unfair, mit beiden zu spielen, beide auszunutzen, aber ich liebte sie immer beide. Sowohl Damon als auch Stefan. Beide bedeuteten mir damals etwas, auch wenn sie mir das vermutlich niemals glaubten oder glauben würden. Erstrecht nicht Damon. Der Damon, dem ich 145 Jahre später sagte, dass ich ihn niemals liebte, dass es immer Stefan gewesen ist und damals, ja damals glaubte ich es! Ich war davon überzeugt, doch hatte ich mich nur selbst belogen... denn Damon hatte ich genauso geliebt wie Stefan, wenn nicht sogar mehr und... es scheint, dass ich noch immer etwas für ihn empfinde - ob es Liebe ist? Ich weiß es nicht...

Es war wirklich lächerlich eine Kirche zu betreten, nach all den Jahren, in denen ich schlechtes anrichtete, Menschen tötete, nicht? Aber gerade in Zeiten, in denen man es schwer hat, finden manche Menschen zum Glauben zurück nicht? Damals in Bulgarien, als ich ein Mensch war, waren Mutter und Vater sehr katholisch, immer darauf bedacht, dass unsere Familie in den Augen Gottes rein ist. Ich selbst glaubte zwar an Gott, doch war ich niemals besonders gläubig, nein. Doch nun, nun brauchte ich jemanden auf meiner Seite und vielleicht, vielleicht hätte der Herr oben ein Ohr für mich? Vermutlich war es lächerlich, doch tat ich all das nur, weil ich das erste Mal in meinem Leben wirklich Angst um eine andere Person hatte.
Kurz nach mir betrat jemand anderes die Kirche, weswegen ich auf meine Hände blickte und den Kopf schüttelte. Das war doch alles Schwachsinn nicht? Wieso sollte mich auch nur irgendjemand erhören. Leise drangen die Worte der Person hinter mir, zu mir hindurch und die Stimme kam mir sehr vertraut vor, weswegen mein Herz sofort ein wenig schneller schlug. Mein erster Gedanke war Damon! Vorsichtig drehte ich mich um und fand tatsächlich den Vampir vor, den ich damals so schlecht behandelt hatte. "Damon...", leise, beinahe tonlos sprach ich seinen Namen aus, wobei ich aufstand und schließlich ein paar Schritte auf ihn zu ging. "W-was... machst du denn... hier?", fragte ich verwundert nach, verwundert natürlich darüber, dass er in einer Kirche war - nicht dass er in Falls war. Aber irgendetwas an ihm schien anders zu sein...

Vergessen. Ja, manchmal wünschte ich mir ich könnte auch all das vergessen, könnte ein neues Leben anfangen. Ein Leben als Mensch, eine neue Chance. Ich könnte den Weißeichenpfahl aufsuchen, mit meinen weiblichen Reizen einen Jäger umgarnen und ihm irgendwie dabei helfen, die Familie Mikaelson zu vernichten! Sie ein für alle Mal auszulöschen. Genau das sollte ich tun, nicht? Damit Klaus mich nicht für seine Hybriden braucht, damit ich endlich frei von Angst leben kann - aber nein, das konnte ich nicht. Früher, ja früher hatte ich andere Prinzipien, besser jeder andere stirbt als ich und nun? Was war verdammt noch einmal mit mir los? Wieso hatte ich all diese Gefühle? Diese Empfindungen? Wieso könnte ich, selbst wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, Klaus eigenhändig zu töten, wieso könnte ich es nicht tun? All die anderen Vampire würden sterben - ich selbst war keiner mehr, was bedeutet, dass ich überleben würde, nicht? Aber mit Klaus würden auch Stefan und Damon sterben. Ich konnte es nicht zulassen, nicht verschulden, dass Damon stirbt. Es war lächerlich! Es war ungewohnt für mich, dass ich mich um jemand anderen sorgte, dass mir das Leben eines anderen wichtiger als meines ist. Was war nur los mit mir??

Er hatte Recht. Wir als Vampire hatten wirklich kein Recht Gott um Hilfe zu bitten, aber manchmal waren wir einfach so verzweifelt, dass wir eben doch zum Glauben griffen und ich? Ich war nun ein Mensch und brauchte irgendetwas, an das ich mich klammern konnte, nicht? Da schien der Glaube doch relativ gut zu sein, nicht? Es wunderte mich wirklich, dass Damon mich nicht ansprach, mich anscheinend nicht einmal bemerkt hatte. Wieso nicht? Wollte er mich nun ignorieren, da dies schlimmer war, als gemeine Worte zu hören? Nein, schon bald musste ich etwas erkennen, was mich zutiefst verletzte, mich schockierte - mir aber wieder eine Chance gab. Eine neue Chance, dass er sich in mich verlieben könnte, wir könnten von vorne anfangen, ganz von vorne und er könnte sich nicht erinnern. Aber wieso bekam ich eine Chance nach der anderen? Wieso bekam ich eine Chance ein besseres Leben als Mensch zu führen? Wieso bekam ich die Chance, Damon neu zu erobern? Wieso ich?
Vorsichtig ging ich zu ihm hin und erkannte sofort, dass ihm jemand die Erinnerungen genommen hatte, weswegen sich sofort Trauer in meinem Blick spiegelte. "Damon... ich... du erinnerst dich an rein gar nichts, nicht?!", es war weniger eine Frage, eher eine Feststellung, ehe ich seine weiteren Worte vernahm und sanft meine Hände an seine Wange legte, wobei ich ihn mehr oder weniger zwang mich anzusehen. "Katherine... Ich bin Katherine, Damon... Und... wenn du willst, werde ich dir helfen dich... dich... zu erinnern...", zum Ende hin wurde ich immer leiser, da ich nicht wirklich wollte, dass er sich erinnert. Erinnern würde bedeuten, dass er sich auch an meine Taten erinnert, dass er mich wieder hassen würde und auch wenn es selbstsüchtig war, so wollte ich es nicht... Leicht, kaum merkbar schüttelte ich den Kopf: "O-oder ich werde dir helfen, neue, schöne Erinnerungen zu schaffen...", langsam zog ich meine Hände zurück und presste meine Lippen zusammen, wobei ich noch einmal nickte um meine Aussage, meinen Vorschlag erneut zu bestätigen, zu verdeutlichen...

Bevor Damon auch nur irgendetwas sagen konnte, vernahm ich das Klingeln meines Handys, welches ich gleich aus meiner Tasche holte und kurz zu Damon blickte: "Und das in einer Kirche...", bemerkte ich kurz an, da ich es wirklich hätte stumm schalten sollen. 'Eingehender Anruf: Rai' sofort legte sich ein Lächeln auf meine Lippen und so hob ich grinsend ab: "Was gibt es Rai?", meinte ich in einem freundlichen Ton, wobei ich den Kopf schüttelte: "Du bist bei mir zu Hause mit der Pizza nicht? Ich bin so dumm, entschuldige... ich bin gleich-", bevor ich weitersprechen konnnte, sprach schließlich Kol Mikaelson mit mir, wobei sich erneut die Angst in mir breit machte, als ich diese Stimme vernahm, doch wurde diese Angst gleich von der Angst, meine einzige Freundin zu verlieren überschattet wurde. Sprachlos stand ich da, Tränen sammelten sich in meinen Augen und eine einzige Träne löste sich von meinem Lid, ehe er auch schon auflegte und ich schwer schluckte, wobei ich mein Handy einfach auf den Boden fallen ließ, welches in ein paar Teile zerbrach. "I-ich... muss los...", meinte ich leise, völlig abwesend, ehe ich einfach die Kirche verließ und mir klar wurde, dass Gott wohl wirklich nicht mehr auf meiner Seite war.